Der PSA-Wert (sogenannter "Tumormarker" für Prostatakrebs)

PSA-Screening: Licht und Schattenseiten

 

Früh erkannte Tumore lassen sich meist gut behandeln. Doch wer sich als Mann ungefähr ab der Lebensmitte mit der Früherkennung eines Prostatacarcinoms, abgekürzt PCa, auseinandersetzt, sieht sich möglicherweise mit mehr Fragen als Antworten konfrontiert.

 

PCa weist eine große Besonderheit auf. Sein Krankheitsverlauf ist im Gegensatz zu vielen anderen Krebsarten sehr unterschiedlich. Die Verlaufsformen reichen von langsam wachsenden Tumoren, die völlig harmlos sind und zeitlebens zu keinen gesundheitlichen Störungen führen, bis hin zu aggressiven Tumoren, die schnell metastasieren und das Leben signifikant verkürzen können. Es kann als "Haustier-Typ" oder auch als "Raubtier-Typ" in Erscheinung treten. Diese Uneinheitlichkeit des Wesens und diese Verschiedenheit der Verlaufsformen führen zu unterschiedlichen Früherkennungsempfehlungen dieses Krebses.

 

Die Debatte um die Vor- und Nachteile des PSA-Tests zur PCa-Früherkennung ist schon lange emotional aufgeladen und es ist nicht einfach, ein wenig Sachlichkeit in die Auseinandersetzung um diesen Laborwert zu bringen. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU), der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) der Ärzte und Krankenkassen und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) können sich immer noch nicht auf eine gemeinsame Empfehlung einigen. Ein Screening Programm mit ausgewiesenen und zertifizierten Untersuchungszentren wie es dies in Deutschland bereits für die Früherkennung von Brustkrebs gibt, ist für das PCa bislang noch nicht vorhanden.

 

Zwar kann durch PSA-Tests eine Senkung der unmittelbar durch PCa verursachten Sterblichkeit nachgewiesen werden, ein Einfluss auf die Gesamtüberlebenszeit wurde aber bisher nicht nachgewiesen. In einfacher Sprache ausgedrückt: Regelmäßige PSA-Tests führen statistisch nicht zu einer Verlängerung der Lebenszeit. Deshalb ist die Bedeutung der Früherkennung und unter welchen Bedingungen die Früherkennung Männern angeboten werden soll, unter Fachgesellschaften umstritten, insbesondere weil durch PSA-Tests leider auch zahlreiche PCa entdeckt werden, die keiner Behandlung bedürfen.

Klarheit hierüber soll die „Probase-Studie“ liefern, die seit 2014 läuft. Deren Ergebnisse können aber erst im Jahre 2035 in ein modernes Konzept der PSA-Untersuchung einfließen, um

einerseits aggressive, behandlungspflichtige PCa rechtzeitig zu entdecken und

andererseits gleichzeitig das Risiko der Männer zu minimieren, mit belastenden falsch positiven Befunden, Überdiagnosen und Übertherapien konfrontiert zu werden.

 

Bis dahin gilt es, Männer ergebnisoffen über die Vorteile, Nachteile, die Aussagekraft von positiven und negativen Testergebnissen, Überdiagnosen sowie gegebenenfalls über erforderliche weitere Maßnahmen zu informieren. Wichtig ist zu verstehen, dass PSA-Normalwerte für sich allein betrachtet, nicht in der Lage sind, zwischen einem Krebs oder einer gutartigen Vergrößerung oder Reizung der Prostata zu unterscheiden.

 

Die Vorteile des PSA-Tests

Ziel eines PSA-basierten Screenings ist es nicht, so viele PCa wie möglich zu finden, sondern speziell diejenigen Tumore zu entdecken, die aggressiv und rasch wachsen, denn diese Tumore können, wenn sie unentdeckt und unbehandelt bleiben, die Lebensqualität einschränken und die Lebenszeit verkürzen.
Eine risikoadaptierte PSA-basierte Früherkennung könnte wie folgt aussehen:

·      Erstbestimmung mit 45 Jahren

·      Ist der PSA-Wert kleiner 1 ng/mL

o   Nächste PSA-Bestimmung in vier Jahren empfohlen

o   Ab 70 Jahren ist kein PSA-Screening mehr sinnvoll

·      Liegt der PSA-Wert zwischen 1–2 ng/mL

o   Nächste PSA-Bestimmung in zwei Jahren empfohlen

·      Ist der PSA-Wert größer 2 ng/mL

o  Jährliche PSA-Bestimmung empfohlen

o  Die Vorhersagegenauigkeit des PSA kann durch die kombinierte Betrachtung von altersabhängigen Grenzwerten, Anstiegsgeschwindigkeit (PSA-Velocity) und dem freien PSA (fPSA) verbessert werden. Suspekt sind PSA-Werte über 2,5 ng/ml, eine PSA-Velocity über 0,75 ng/ml/Jahr und fPSA-Werte unter 20 %.

o  Ein verdächtiger PSA-Wert soll unter Berücksichtigung von Störfaktoren kontrolliert werden. Zusätzlich muss die PSA-Konzentration in Abhängigkeit von weiteren klinischen Variablen interpretiert werden (Tastuntersuchung, Alter, Familienanamnese, Bildgebung mittels mpMRT).

 

So können einerseits unnötige Stanzbiopsien vermindert, aber auch die Entdeckungen aggressiver Formen des PCa verbessert werden. Das bietet die Chance, frühzeitig entsprechend dem Tumorstadium nach fachärztlicher Aufklärung gemeinsam mit dem Urologen eine individuelle informierte Therapieentscheidung zum Versuch der Heilung oder Verlangsamung des Tumorwachstums zu treffen. Möglichkeiten wären z.B. radikale Prostatektomie, externe Bestrahlung, LDR-Brachytherapie, Active Surveillance, Watchful Waiting, Hormontherapie, Hormontherapie in Kombi mit Chemotherapie oder Palliativ best care.

 

Die Kritik am PSA-Test

Häufig angeführte Argumente, die gegen ein allgemeines PSA-Screening auf Basis der bisherigen Studienergebnisse sprechen, lauten wie folgt:

 

·    Prostatakrebs ist eine altersbedingte Erkrankung. Bei über 60% der 80-jährigen Männer finden sich in der Prostata Krebszellnester. Diese sind aber zeitlebens völlig unbemerkt geblieben, da das PCa häufig nicht aggressiv ist und nur langsam wächst.

·     Verzichtet ein Patient auf die PSA-Untersuchung, ist die Chance sehr groß, dass er seine restliche Lebenszeit unbelastet von der Verdachtsdiagnose eines PCa genießen kann.

·     Patienten mit und ohne PSA-Test lebten in großen Studien statistisch betrachtet durchschnittlich gleich lang.

·  Der PSA-Test offenbart vielen Patienten lediglich den Verdacht auf eine Krebsdiagnose ohne große Aussicht auf Verbesserung ihrer Gesamtlebensdauer durch eine mögliche Therapie. Gleiche Gesamtsterblichkeit bedeutet, dass behandelte und nicht behandelte Patienten gleich alt wurden und alle an einer anderen Erkrankung starben, aber nicht an Prostatakrebs.

·   Viele Männer sind bis zu ihrem Lebensende durch die Krebsdiagnose

   verunsichert und in nicht unbeträchtlichem Umfang nach einer eventuellen Operation impotent. Seit der Einführung der nervenschonenden Operation nach der da Vinci Methode gibt es aber inzwischen deutliche Verbesserungen, was die Impotenz angeht: Von zuvor nahezu 100% ließ sich die Rate dieser Nebenwirkung auf unter 40% senken. Trotzdem bleibt die Impotenz nach einer Krebsoperation für viele Männer und ihre Partnerschaft ein Problem. Harninkontinenz tritt je nach Studie und OP-Verfahren zu 15-30% auf.

·      Der PSA-Wert ist nicht krebsspezifisch. Er ist auch durch sexuelle Aktivität, 

     Radfahren oder Entzündungen erhöht oder auch trügerisch erniedrigt durch

     eine Therapie mit Finasterid oder Antiandrogen und nach einer 

     Prostataoperation.

·   Ein einziger Test kann einen langsam wachsenden Krebs nicht von einer aggressiven Form unterscheiden. Lediglich Testserien können in dieser Frage weiterhelfen.

·       Die hohe Anzahl von falsch-positiven Ergebnissen verleitet zu Überdiagnosen,

    d.h. es werden Prostatakarzinome entdeckt, die etwa aufgrund eines sehr langsamen Wachstums bei älteren Männern eigentlich nicht hätten behandelt werden müssen.

·     Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) der Ärzte und Krankenkassen und das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) mahnen deshalb an, dass das Schadenspotenzial des PSA-Screenings größer sei als der Nutzen. Die Aussagekraft des PSA-Wertes ist gering. Die Krankenkassen übernehmen deshalb die Kosten für diese Untersuchung nicht. Bislang liegen noch keine wissenschaftlichen Studien vor, die den G-BA und das IQWIG vom Gegenteil überzeugen konnten.

 

Ich hoffe, ich konnte Sie hinreichend sachlich und neutral zum Pro und Contra des PSA-Screenings aufklären. Ob die Aussicht auf den Nutzen einer PSA-Untersuchung das Risiko eines Schadens überwiegt, ist individuell vom einzelnen Patienten zu entscheiden. Nun liegt es an Ihnen, eine informierte persönliche Entscheidung zu treffen. Für weitere Fragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

 

Ihr Dr. med. Michael Fritz