Zweckgymnastik im Sport
Ihre körperliche Leistungsfähigkeit wird vornehmlich von den fünf motorischen Hauptformen der Bewegung - Ausdauer, Schnelligkeit, Koordination, Kraft und Flexibilität - bestimmt.[2] Um die letzten beiden Komponenten nicht zu vernachlässigen und um Ihre Leistungsfähigkeit zu steigern, sollten Sie regelmäßig sowohl eine dehnende als auch eine kräftigende Zweckgymnastik durchführen. Flexible Muskeln sind leistungsfähiger als verkürzte.[1] Flexibilität und Kraft kommen nicht von selbst, aber leider verschwinden sie von selbst. Verkürzte und zu wenig gedehnte Muskeln und Sehnen sind anfälliger für Muskelzerrungen, Sehnenansatzreizungen und Gelenkreizungen.[2] Gezieltes Einsetzen verschiedener Dehnübungen erhöht die Beweglichkeit. Aktives und passives Stretching verbessert die Abnahme muskulärer Einschränkungen.[2][3][4] Dies kann sportliche Leistungen verbessern[1], aber auch die Koordination im Alltag optimieren und ein Verletzungsrisiko minimieren helfen. Ob flexible Muskeln wirklich leistungsfähiger sind als verkürzte, muss in Studien noch belegt werden, aber zumindest empirisch sind Sportler mit einer eingeschränkten Beweglichkeit anfälliger für Muskelzerrungen, Sehnenansatzreizungen und Gelenkreizungen.
Wegen mangelnder wissenschaftlicher Belege auf Dehnen im Sport nun zu verzichten, ist kurzsichtig. Erfahrene Sportler bestätigen, dass regelmäßig und systematisch durchgeführtes Dehnen der Muskulatur das körperliche und seelische Wohlbefinden fördert. Darüber hinaus unterstützt die fachkundige Anleitung und regelmäßige Durchführung anhaltend ein differenziertes Körpergefühl. Die hierdurch gebesserte Körperwahrnehmung steigert die Aufmerksamkeit für das aktuelle Tun während der Laufbewegung. Die hierduch gewonnene Bewegungssicherheit hilft nicht nur im Sport, sondern auch im Alltag unserer zivilisierten Lebensführung, die in der westlichen Welt von Bewegungsarmut gekennzeichnet ist. Wenn Alltag und Sport einseitige Beanspruchungen aufweisen, passen sich die körperlichen Strukturen dem verminderten bzw. "einseitigen" Gebrauch an. Es folgt eine eingeschränkte Beweglichkeit. Deshalb sollten weiterhin Dehnungsprogramme in die Sportpraxis einbezogen werden. Das Dehnen sollte aber richtig durchgeführt werden: Auf eine sanfte, gefühlvolle Durchführung der Übungen, in Ruhe und mit Geduld ist zu achten. Man sollte nicht hektisch Zerren, sondern besonderen Wert darauf legen, sich in den Körper "hineinzufühlen" und die Spannungszustände in der Muskulatur bewusst wahrzunehmen.
Man unterscheidet:
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Statisches Dauerdehnen
Gehaltenes Dehnen in einer Position über eine Dehnzeit von 20 Sekunden bis zu 2 Minuten mit 6 bis 10 Wiederholungen. -
Intermittierendes Dehnen
Langsames Dehnen und Halten des Dehnreizes. Nach 10 Sekunden Pause wird wieder die gleiche Dehnposition eingenommen, eine erweiterte Endposition angestrebt, 20 Sekunden gehalten, erneute eine erweiterte Endposition angestrebt, 10 Sekunden Pause; 6 bis 10 Wiederholungen. -
Postisometrisches Dehnen
(auch Anspannungs-Entspannungs-Dehnen oder CHRS genannt). Zunächst wird der Muskel maximal isometrisch angespannt (Contraction); 10 Sekunden gehalten (Hold); die Spannung im Muskel gelöst (Relax); 10 Sekunden gedehnt (Stretch); 6 bis 10 Wiederholungen. -
Dynamisches Dehnen
Langsame, vorsichtige rhythmische Federbewegung mit kleiner Bewegungsamplitude im Endbereich der maximalen Gelenkstellung. 20 Sekunden Dauer (ca. 20 Pumpbewegungen); 10 Sekunden Pause; 6 bis 10 Wiederholungen.[3]
Die Auswahl der "richtigen" Dehnmethode hängt vom Einsatzbereich und der Zielsetzung ab:
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in der Erwärmungsphase (Warm up)
Zum Aufwärmen als Vorbereitung auf eine intensive Muskelarbeit empfiehlt sich dynamisches Dehnen. Gegenüber dem statischen Dehnen hat es den Vorteil, den Muskeltonus nicht zu stark abzusenken. Dehnübungen können aber eine aktive Erwärmung nicht ersetzen. Eine optimale Muskelfunktion, die Einschränkung eines Verletzungsrisikos und die Vorbereitung auf ein hohes Leistungsniveau sind nur durch aktives Erwärmen zu erreichen. [3]Warmlaufen schadet dabei nicht, zeigt aber auch keinen großen Effekt[4]. Zusätzliches Dehnen vorher verbessert die Beweglichkeit, Muskelkraft, Haltung und Technik. Dehnen kann die Geschwindigkeit des Kraftanstiegs erhöhen, so dass die Muskeldehnung vor einer kurzen intensiven Belastung zu empfehlen ist. Das Dehnen erscheint 5 min vor der Belastung optimal.[1] -
nach Belastung
Zur Unterstützung der muskulären Wiederherstellungsprozesse nach körperlicher Belastung kann das statische Dehnen, daneben auch das intermittierende Dehnen nach normalem Training empfohlen werden.[3] Es ist jedoch nach einer intensiven Trainingseinheit zu meiden, um die Regeneration nicht zu verlängern. Hier wird eher ein lockeres "Cool down" (Auslaufen, Ausfahren, Ausschwimmen) oder auch ein warmes Wannenbad angeraten. -
für ein gezieltes Training der Beweglichkeit
Es sollte auf das statische Dehnen als separate Trainingseinheit zurückgegriffen werden.[3]
Das Dehnen muss durch gezielte Muskelkräftigung der Gegenspieler ergänzt werden. So dehnen Sie z. B. den Unterschenkelstrecker und kräftigen in einer ergänzenden Übung die Unterschenkelbeuger. Hier haben sich z. B. Therabänder bewährt. Durch Kraftübungen können Beschwerden gebessert oder durch rechtzeitiges vorbeugendes Üben sogar verhindert werden (z. B. Rückenschule). Bei Sportlern können sog. Muskeldysbalancen (Ungleichgewicht der Kraft von Agonist = Spieler und Antagonist = Gegenspieler) bestehen, die für Beschwerden und Verletzungen der Muskulatur verantwortlich sein können. Die Muskelkräftigung der Gegenspieler (sog. Antagonistentraining) kann die entscheidende Trainingsmaßnahme sein.[3]
Ich persönlich mache wenigstens zweimal die Woche Kraftgymnastik und dann einige Dehnübungen. Das sind keine außergewöhnlichen Übungen, sondern ganz schlichte und bewährte Klassiker. Eine orientierende Zusammenstellung eines kleinen Übungsprogrammes finden Sie hier. Claudia Möhrdel und Roland Keubler, ehemalige Teilnehmer des Laufprojektes Fit für 10, haben die Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit und Kraft übersichtlich bildlich dargestellt.
Selber habe ich damit gute Erfahrungen gemacht. Aber wir sind nicht alle gleich gebaut und was mir gut tut, führt bei der einen oder dem anderen zu heftigen Schmerzen oder Überlastungen. Tasten Sie sich vorsichtig an die Übungen heran und sprechen Sie Probleme mit Ihrem Betreuer oder Trainer ab. Haltungskontrollen vor einem Spiegel oder durch Ihren Trainingspartner sind sehr nützlich. Es kann auch sinnvoll sein, ein persönliches Übungsprogramm mit einem Physiotherapeuten zusammenzustellen, wenn man z. B. immer wieder unter Rückenschmerzen, Leistenproblemen, Achilles-ehnenreizungen etc. leidet.
Haben Sie noch Fragen? Sprechen Sie mich an, ich helfe Ihnen gerne weiter.
Ihr Dr. Fritz
Tipp:
Ein sehr schönes neues Sachbuch zum Thema Gymnastik heißt: "Gymnastik aber richtig" von Peter Michler & Monika Michler, Eigenverlag; Bezug nur im Internet über: www.gymnastik.at
Quellen:
[1] Connor und Crowe, J Sports Med Phys Fitness 46, 2006, S. 52-56
[2] C. Graf / J. Höher, Fachlexikon Sportmedizin, Deutscher Ärzteverlag, 2009, S. 165, 215
[3] Jakob, E. et. al., Zur Bedeutung des Dehnens in der Sportpraxis, LSB NRW 2003
[4] Zakas et. al., J Sports Med Phys Fitness 46, 2006, S. 57-61